
Bei “Anne Will” geht es um das Verfassungsgerichtsurteil, das ein 60-Milliarden-Loch in den Ampelhaushalt reißt. Die Debatte schlägt hohe Wellen.
Wie wird die Ampelregierung mit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts fertigwerden, wonach die Umwidmung von Coronakrediten gegen die Schuldenbremse verstößt und somit nichtig ist? Wo sollen die nun fehlenden, für Klimaschutzmaßnahmen eingeplanten 60 Milliarden Euro künftig herkommen? Wird das notorisch uneinige Dreierbündnis gar an dem Richterspruch aus Karlsruhe zerbrechen? Diese Fragen hatte sich Anne Will für ihre drittletzte Sendung vorgenommen – und musste durch eine hitzige Debatte mit viel Durcheinanderreden führen.
Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Bundestagsvizepräsidentin
Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag
Johannes Vogel, stellvertretender FDP-Vorsitzender
Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts
Melanie Amann, Mitglied der “Spiegel”-Chefredaktion
Dienstwagenprivileg abschaffen? Für Vogel ein “ungeeignetes Beispiel”
“Komplett kalt erwischt” habe das Karlsruher Urteil die Ampelkoalition, vermutete zu Beginn die “Spiegel”-Journalistin Melanie Amann – das zeige sich schon an den unterschiedlichen Reaktionen, die nun aus den Regierungsparteien kämen.
Wie zum Beleg dieser These zogen auch die Ampelvertreter im Studio abweichende Schlussfolgerungen aus dem Richterspruch. “Es ist ja bekannt, dass wir von der Schuldenbremse viel halten”, erklärte FDP-Vize Johannes Vogel, diese “aufzuweichen” sei daher “keine Option”.
Nun gehe es darum, beide Urteile zusammenzubringen. Dabei gehöre alles auf den Prüfstand – auch die Möglichkeit, die Schuldenbremse “zu verändern”. Zudem schlug sie vor, umweltschädliche Subventionen wie Steuervergünstigungen für Kerosin und Dienstwagen in Frage zu stellen – Letzteres hielt FDP-Mann Vogel allerdings für ein “ungeeignetes Beispiel”. Er schlug stattdessen “Priorisierung bei den Sozialausgaben” vor und forderte “mit höherer Dringlichkeit das Rentensystem grundlegend zu reformieren”, was Alexander Dobrindt mit einem “Jetzt wird’s aber hanebüchen!” quittierte.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag sprach von einer “Kernschmelze des Koalitionsvertrags”. Die Ampelparteien hätten sich einen “Trick überlegt, die Schuldenbremse zu betrügen”, um so fehlende inhaltliche Gemeinsamkeiten zu übertünchen. Das sei “ein singulärer Vorgang”.
Auch Melanie Amann sprach von einem “Taschenspielertrick”, wies allerdings darauf hin, dass “Nebenhaushalte keine Erfindung der Ampel” seien, sondern auch in unionsgeführten Bundesländern praktiziert würden.
Als eine Arka Schlichter versuchte sich Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts. “Wir müssen die Kirche im Dorf lassen”, so der Ökonom. Die 60 Milliarden seien viel Geld, aber nichts, was man nicht auftreiben könne. Er schlug vor, den CO2-Preis schneller zu erhöhen und Subventionen zu streichen, etwa für die Ansiedlung einer Intel-Chipfabrik in Magdeburg.
Das Karlsruher Urteil sah er als “eine positive Anregung”. Überdies könne sich die Regierung ähnlich wie bei den 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mit der Union zusammensetzen und ein weiteres Sondervermögen schaffen.
Göring-Eckardt appelliert an “staatspolitische Verantwortung” der Union
Für Kooperation aber war Alexander Dobrindt noch nicht bereit. Der CSU-Politiker wollte lieber “erst meta über das Ausmaß des Scherbenhaufens sprechen”. Er warf der Regierung vor, in dieser Woche den Haushalt für 2024 verabschieden zu wollen, “als wäre nichts gewesen”. Katrin Göring-Eckardts Hinweis, andernfalls könnten die Ukrainehilfen nicht ausbezahlt werden, wies er zurück: “Falsch”, so der CSU-Mann, “Haushaltsberatungen können Sie schieben, da würde gar nichts passieren.”
Auch mit ihrem Appell an die “staatspolitische Verantwortung” der Opposition und dem Vorschlag, “ein bisschen Schärfe rauszunehmen”, biss die Grüne bei Dobrindt auf Granit. “Sie haben ja jetzt alles gesagt, was Sie uns vorwerfen”, versuchte sie die Wogen zu glätten.